Unboxing Niiu – was soll ich davon halten?
Vor fünf Wochen habe ich bereits in gespannter Erwartung über zwei neue Experimente in Sachen Paid Content für Qualitätsjournalismus gebloggt. Nach der iPad App Handelsblatt Live – mein Unboxing dazu steht hier – ist nun die iPad App Niiu im Apple Store verfügbar. Offiziell startet sie mit dem Regelbetrieb erst ab 2.4.2013.
Niiu hat den Anspruch eine individuelle, personalisierte Zeitung mit relevantem Content sein zu wollen. Über beteiligte Verlage, die Macher, die Preise etc. kann man sich z. B. bei print.de informieren. Unabhängig von den tagesaktuellen Inhalten will ich mir jetzt mal ein Bild von der App, dem Aufbau, der Ästhetik machen.
Viel Grau begrüsst mich zunächst. Das Laden der Ausgabe wird mit einem Fortschrittsbalken angezeigt. Nach einigen Sekunden bin ich dann auf der Ausgangsseite. Mich begrüsst eine Rubrik mit dem „beliebtesten Artikel“. Durch Links-Rechts-Wischen kann ich diesen einen beliebtesten Artikel jeweils in den verschiedenen Rubriken finden. Im unteren Teil der Startseite sehe ich in Kacheln die Auswahl der Nachrichtenquelle mit der jeweiligen Rubrik.
Mit einem Tipp auf das „Pluszeichen“ kann ich dann in einem weiteren Fester für eine vorgegebene Liste eine Quelle auswählen. So stehen mir für die Rubrik „Celebrity“ die Titel: NZZ > Mode, Berliner Morgenpost, Grazia > People, Hamburger Abendblatt und Manager Magazin Online zur Verfügung. Ah ja… Wieso hier die Online Version des Manager Magazins? Nach der Auswahl lädt die App die Inhalte nach, so dass diese auch offline und im Flugmodus gelesen werden können. Das Nachladen dauert recht lange trotz 50 MB Leitung. Aktiviere ich nun auf der Startseite eine Kachel, so gelange ich zu der Rubrik. Diese zeigt mir dann drei oder vier Artikel pro Screen: 1/1, 1/2 + 1/2 oder statt 1/2 zweimal 1/4. So sehen alle Seiten über alle ausgewählten Verlagstitel und Rubriken gleich aus. Mit einem Tipp auf einen Artikel kann ich diesen dann in einem eigenen Fenster lesen, die Schriftgröße sowie die Helligkeit einstellen.
Jeder Artikel bietet die Möglichkeit des Sharings per Facebook, Twitter oder Mail. Noch funktioniert das nicht, aber vermutlich ab 2.4.13. Der Stern lässt den Artikel in meine Favoriten-Box laufen. Mit Rauf-Runter-Wischen komme ich zu den anderen Beiträgen der Rubrik, mit Links-Rechts-Wischen kann ich zwischen den Rubriken wechseln.
Soweit so nett. KISS-Prinzip nennt sich das wohl – keep it simple stupid! Vom Aufbau einfach, ohne Schnickschnack. Das finde ich gut. Aber auch ohne Erlebnis, ohne Emotion, ohne Ästhetik, ich finde es nicht schön. Die Optik hat die Anmutung von palettierten Düngemittelsäcken in der dörflichen Raiffeisenzentrale. Das Gegenteil von Flipboard, der Zeit oder auch von Handelsblatt Live und der FAS. Es zieht nicht rein, macht irgendwie keine Freude, sondern es sieht nach InformationsverARBEITung aus. Aber bitte, es ist vielleicht nur mein Geschmack. Ich fürchte aber, das genau an dieser fehlenden Emotionalität die App scheitern wird. Ich lehne mich da mal aus dem Fenster.
Ja, ich kann mir den Sportteil der Bild gemeinsam mit dem Wirtschaftsteil der NZZ in eine App holen. Aber mag ich das individuelle Zeitung nennen, ist das Personalisierung? Es ist zunächst alter Wein in einem neuen Schlauch. Genauso wie bei Handelsblatt Live. Sogenannte Zeitungs-„Bücher“ (so nennen das die Zeitungsmacher) werden aneinandergereiht. Was zunächst nach individueller Entbündelung der Zeitung klingt, ist letztlich eine Neu-Bündelung aus mehreren Zeitungen bzw. Magazinen. 12,99 € im Monat möchte ich derzeit dafür nicht zahlen. Insofern halte ich die erste Zielmarke von 20.000 Abonnenten für sehr, sehr, sehr ambitioniert. Den beteiligten Verlagen wird’s egal sein, denn für diese ist das ja nur ein zusätzlicher Kiosk.
26. März 2013 von Thomas
Kategorien: App, Bezahlmodell, Qualitätsjournalismus |
Schlagwörter: Medienzukunft, Paid Content, Qualitätsjournalismus |
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