Ist Online-Werbung einfach? Nein. Sollte sie aber.
Als ich hier vor wenigen Tagen das Advertising Bullshit Bingo in der aktuellen digitalen Version vorgestellt habe, da habe ich noch gelacht. Den Marketers habe ich empfohlen sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das Lachen ist mir vergangen. Warum?
Marketing ist eigentlich ganz einfach – am grünen Tisch jedenfalls. Es beinhaltet 5 Aufgaben:
- Entwickle laufend neue Produkte und Dienstleistungen für die (potentiellen) Kunden.
- Pflege und überarbeite diese Produkte und Dienstleistungen permanent.
- Führe die Marke professionell und mit Gelduld.
- Gewinne laufend neue Kunden für die (neuen) Produkte und Dienstleistungen.
- Pflege und binde die gewonnen Kunden dauerhaft.
Die Produkte sollten mit guten Markengeschichten versehen werden (Brand Experiences), um sie den potentiellen Kunden schmackhaft zu machen. Und die potentiellen Käufer sollte ich zu meine Produkten hinführen. Das geht in Zukunft immer mehr über Online-Marketing und das, was Big Data genannt wird. Diese Erkenntnis ist ja schon einige Jahre alt. Aber wie steht es um die Umsetzung?
Schauen wir uns die Nettowerbeerlöse laut ZAW für 2012 an, dann ist der Anteil mit hochgerechnet 1,1 Mrd. Euro und ca. 6% Erlösanteil an den insgesamt 18,4 Mrd. Euro der gesamten Werbung sehr, sehr überschaubar.
Die Bedeutung des digitalen Marketings und die realisierten Werbenettoerlöse passen nicht zusammen.Woran liegt das? Bei der Suche nach einer Antwort ist mir das Lachen – siehe oben – vergangen. Zwei ernsthafte Antworten habe ich gefunden.
1. Komplexe Fachbegriffe
Eine Ursache ist sicher die totale Komplexität dieser Thematik, über die ich mich im Advertising Bullshit Bingo etwas lustig gemacht habe. Und diese Komplexität steckt schon in der Sprache.
Der Onlinevermarkterkreis OVK im BVDW listet in seinem Glossar die 150 wichtigsten (sic!) Fachbegriffe auf. Vielen werbetreibenden Unternehmen wird von den Online-Experten vorgehalten, sie würden die Mechanik noch immer nicht richtig verstehen und nutzen. Es wird ihnen aber auch richtig schwer gemacht. Es reicht schon dem allgemeinen Marketing Buzzwording zu folgen, aber die Online-Fachtermini nehmen fast täglich zu. Zum einen weil der technologische Fortschritt in der IT das befördert, zum anderen, weil immer neue Kanäle, wie Mobile und Car Communications hinzu kommen.
Ich halte es für eine wichtige Aufgabe der Verbände, der Marktführer auf seiten der Publisher und der Agentur- sowie Technologie-Dienstleister das Vokabular auf das Wichtige zu beschränken. Denn das haben viele Menschen nach der Finanzkrise gelernt: Kaufe nichts, das du nicht wirklich verstehst.
2. Komplexes Ecosystem
Und damit bin ich bei der zweiten Antwort angekommen. Das folgende Kunstwerk versucht alle Beteiligten im System der Publisher und Werbetreibenden zu sortieren:
Dazu dürften in den vergangenen drei Jahre etliche weitere hunderte Dienstleister hinzu gekommen sein. Selbst den in der Regel gut ausgebildeten und erfahrenen Marketingleitern und CMO’s dürfte es schwer fallen, die Substanz und Relevanz beurteilen zu können. Denn der Marketer muss sich nicht nur mit dem Advertising Ecosystem beschäftigen, sonder mit dem gesamten System. Und das schaut aktuell dann z. B. so aus:
Quelle: Scott Brinker / chiefmartec.com
Weder hat das Marketing die finanziellen Ressourcen noch die Manpower die Technologien in der Praxis so sinnvoll einzusetzen, wie es angebracht wäre. Das mag für den ein oder anderen globalen Top-Konzern noch funktionieren, aber schon unterhalb der Champions League, wird es schwierig.
Wenn ich das mit dem einfachen Ökosystem der TV-Werbung vergleiche, auf deren Performance ich mich einigermaßen verlassen kann, während die Online-Vermarkter Community regelmäßig neue Währungen entwickeln, dann wundert mich nicht, dass es Berührungsängste gibt, was die Vergabe signifikanter Budgets angeht.
Die Online- und Social Media-Vermarkter sollten sehr selbstkritisch mit der Tatsache umgehen, dass sie alle im gleichen Boot sitzen. Sie sollten massiv an der Einfachheit und Transparenz ihrer Geschäftsmodelle arbeiten.