Innovationen im Qualitätsjournalismus oder was das mit Henry Ford zu tun hat
Henry Ford sagte einmal: „Jeder Kunde kann seinen Wagen beliebig anstreichen lassen, wenn der Wagen nur schwarz ist.“ Das Zitat stammt aus dem Zeitalter der Produktorientierung zur Minimierung der Produktionskosten durch Größenvorteile. Damals radikal, neu, anders gedacht, innovativ, der erste Massenmarkt war begründet.
Zwei interessante Paid Content Projekte des Qualitätsjournalismus stehen kurz vor der Realisierung: Das Handelsblatt startet am 4. März die App „Handelsblatt Live – Journalismus für eine neue Generation“. Nach dem verkorksten Print-Abenteuer einer personalisierten Zeitung will Niiu in diesen Tagen den Start seiner neuen „Niiu App“ bekanntgeben – gleiches Konzept, digitales Medium.
Ein drittes Projekt ist gerade gestartet: Die „Welt am Sonntag Kompakt„. Beurteilen lässt sich nur diese neueste Innovation aus dem Hause Axel Springer, dem deutschen Vorreiter in Sachen Digitalstrategie, der die letzte Führungskräfte-Tagung im Silicon Valley (Herr Döpfner lud persönlich ein) abhalten lies. Vermutlich für die weitere Planungen nach dem nordischen Format der „Zeitung nach dem Papier„.
In Sachen Handelsblatt Live bin ich tatsächlich auf die Realisierung gespannt. Der Hinweis auf einen dreimal täglich aktualisierten Inhalt (6, 12 und 20 Uhr), wobei die letzte Aktualisierung der Ausgabe des folgenden Tages entsprechen soll, riecht nach Nachrichten, nicht nach Meinung, Analyse oder Kommentar. Für immerhin 39,99 € im Monatsabo – 33% teurer als das ePaper pro Monat. Eine Paywall oder ein Paywill? Ich fürchte, nachdem was bisher durchsickerte, ist das möglicherweise auch wieder ein Ford T-Modell, eine digitale Zeitung: gebündelt, die die bestehende Abonnenten nicht verschrecken soll, die vermutlich konzeptionell weder echt neu, innovativ, radikal, halt eben anders gedacht sein wird. Klar, mit Social Media und technisch nett gemacht… Lassen wir uns überraschen!
Gespannt bin ich auch auf das Niiu-Projekt, ein etwas anderer Paid Content Versuch. Der alte Traum der personalisierten Zeitung. Mit vermutlich dem who is who der deutschen Zeitungsverlage als Zulieferer. Wo liegt der große Unterschied zu einer traditionellen Tageszeitung on- oder offline? Schreiben doch eh alle das Gleiche für den diL, den durchschnittlich intelligenten Leser. Möglicherweise bleibt dem Abonnenten dieser Variante das Gefühl der Reaktanz, das Gefühl sich bei der Auswahl nie richtig entschieden zu haben.
Ich bleibe dabei: Die Bildungs- und Informationselite hat immer keine Zeit. Sie sucht als Gegenpol zur Komplexität des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weltgeschehens und der Informationsmengen in Überschallgeschwindigkeit die Einfachheit, Orientierung, Meinung, ein gutes Gefühl das richtige zu lesen, Unterhaltung in Form und Funktion, Ästhetik und Schönheit für die Emotionen.
Ob das die neuen Angebote liefern oder ob wir doch wieder ein schwarzes T-Modell bekommen?
19. Februar 2013 von Thomas
Kategorien: Bezahlmodell, Geschäftsmodell, Medienmarketing, Qualitätsjournalismus |
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